Ost und West



Dieses Bild fand ich vor einigen Jahren in einem Buch wieder, meine mittlere Tochter hatte es im ersten Grundschuljahr gezeichnet. Ich hielt es in der Hand und versuchte mich zu erinnern, was es darstellen sollte. Erst als ich den Titel laut las, wurde mir klar worum es ging.

„Die Berliner Mauer“

Wir sind eine politisch und geschichtlich interessierte Familie und wenn wir nicht grad Serien gucken, dann läuft der Fernseher als Geräuschkulisse mit diversen Dokumentationen.
Irgendwann also war wohl die Berliner Mauer ein Thema und der Fall der Mauer mitsamt Wiedervereinigung Deutschlands. 

Ich erinnere mich noch sehr gut an den Abend, als die Mauer geöffnet wurde. An diesem Abend im November 1989 war ich noch in meiner Wohnung in Wien und sah es in den Nachrichten. Damals kannte ich noch keinen Menschen aus der DDR, aber es war ein Thema, das mich seit meiner frühesten Teenagerzeit immens beschäftigte. Auch in meinem Elternhaus wurde viel über Zeitgeschehen, Geschichte und Politik geredet. Vor allem meine Mutter hatte eine Affinität zu Russland und den sogenannten Ostblock-Staaten. 

In meinem Heimatbezirk befand sich der Hauptsitz der KPÖ (der Kommunistischen Partei Österreichs) und in diesem Gebäude waren ein Reisebüro, das ausschließlich Reisen in den Ostblock vermittelte und eine Buchhandlung mit Ost-Literatur. Draußen vor der Tür stand immer eine Schütte mit reduzierten Büchern bzw. Bücher aus zweiter Hand. Vorwiegend Märchenbücher, die meine Mutter mir gerne kaufte. Da ich ein eher kränkliches Kind war, verbrachte ich viel Zeit im Bett und verschlang stapelweise Kinderbücher.

Später als Teenager beschäftigte mich die Unfreiheit der Menschen in diesen Staaten ganz ungemein und es ging mir nicht aus dem Kopf, dass unser Nachbar Deutschland ein geteiltes Land war. Als älterer Teenager hegte ich die Vermutung, dass ich es selbst wohl nicht mehr erleben würde, dass der eiserne Vorhang fällt.

Ich weiß noch gut, als die Nachrichten in TV und Radio von Solidarnosc berichteten und mir immer wieder der Atem stockte… sollte es nun doch soweit sein? Aber es dauerte noch eine Weile.
Und dann kam dieser eine Abend im November 89, und ohne auch nur einen Menschen zu kennen, weinte ich vor Freude. Wie schön diese Welt doch war, wenn so etwas passieren konnte – ohne Blutvergießen, friedlich eingefordert: Freiheit. 

Sechs Jahre nach dem Fall der Mauer machte ich mich, zusammen mit meiner ältesten Tochter, auf die Reise in das wieder vereinte Nachbarland… eine Reise ohne Wiederkehr. In meiner neuen Heimat lernte ich dann endlich ehemalige DDR-Bürger kennen, darunter auch einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben und ich war aufs Neue tief berührt, seine Version dieses geschichtlich so bedeutenden Abends hören zu dürfen.

Im Jahr 2001 konnte ich Reste der Berliner Mauer mit den eigenen Augen sehen und sie anfassen.
Ich gehöre wohl zu den wenigen Menschen in diesem Land, die am 3. Oktober innig an diese Tage denken, obwohl es nicht meine Geschichte, nicht mein Geburtsland ist… ich erkenne immer noch die besondere Magie dieses Ereignis.

Aber die Realität sieht oft doch anders aus, trotz der 27 Jahre, die mittlerweile vergangen sind, ist die Mauer in den Köpfen der Leute immer noch da. Immer noch wird von Wessi und Ossi gesprochen… aber die Hoffnung besteht, dass die nachwachsende Generation ohne diese Mauer im Kopf aufwächst, die reale Mauertragödie aber dennoch nie in Vergessenheit gerät.  

Diesen Beitrag widme ich all  meinen geliebten "Ossi"-Freunden, die ich nicht mehr missen möchte. 

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