Schockstarre - Taiwanromanze die Erste
Da ist mir doch letztens dieses vintage Papier in die Hände gefallen....
Ich kann mich noch daran erinnern, als wäre es vorgestern gewesen. Ich weiss noch, dass ich am selben Tag - bevor mich dieses Schreiben erreichte - eine neue Brille, auf die ich ewig gespart hatte, gekauft habe. Und als ich nach Hause kam, zog ich DAS aus dem Briefkasten... an einem nicht so kalten Januar-Tag im Jahre 1992, ich hatte meinen freien Tag.
Was kann man darauf sehen? Es ist von der Österreichischen Post.... es ist noch im alten Jahr getippt worden, die wichtigsten Teile handschriftlich eingefügt - wobei man bitte das Wort "Dringend" in rot geschrieben, beachten möge. Und das Allerwichtigste: mitzubringen wäre die läppische Summe von 129.135, 50 (die 50 Groschen sind gaaaanz wichtig) Schilling (umgerechnet: 18.447,93 DM... respektive 9.223,96 Euro... nur um es sich auf der Zunge zergehen zu lassen).
Meine erste Reaktion war: "Ach Du Sch.....", vielleicht war's auch: "What the f....?!"
Ganz so genau kann ich mich nicht mehr erinnern, ich weiss nur noch, dass ich gerne meine neue Brille zurück getragen hätte und meine alte aus dem Müll holen wollte... was jetzt in Anbetracht der auf dem Papier stehenden Summe, das Kraut nicht wirklich fett gemacht hätte. Auch war ganz kurz - aber wirklich nur ganz kurz - der Gedanke an Prostitution in meinem Kopf..... Versklavung wäre auch eine Alternative gewesen.
Aber bevor man sein Leben gleich derart drastisch verändert, sollte man vielleicht doch erst einmal nachhaken, worum es denn überhaupt ging... wobe das kleine Wörtchen "Brüssel" mir die richtige Richtung schon wies.
Ich hatte einen Freund aus Taiwan (dramatische Filmmusik von John Barry setzt ein [Jenseits von Afrika]) ....
ein Brieffreund aus Teenagertagen, ich glaube, es war 1985 da erreichte mich sein erster Brief - vermittelt durch den IPF (International Pen Friends), wo ich damals Mitglied war. Es war Liebe auf den 3. Brief (so ungefähr) und bevor wir tatsächlich aufeinander trafen, sollte ich mich von meinem damaligen Freund trennen, meinen ersten Eheman treffen, heiraten, ein Kind in die Welt setzen und mich wieder scheiden lassen.... das Leben kommt und geht - der Brieffreund aus Taiwan blieb. Und je nach Lebensumstand, waren unsere Briefe freundschaftlich bis romantisch.
Plötzlich - kurz nach meiner Scheidung - erreichte mich ein Brief (die jüngeren Leser müssen jetzt einfach ihre Fantasie bemühen: ein Brief ist ein Blatt Papier, handbeschrieben [meist] und legt per Post eine Distanz von A nach B zurück - in diesem Fall: von Belgien nach Österreich, und wir bedenken jetzt: ES GAB NOCH KEINE MOBILTELEFONE... also zumindest besass kein Ottonormalverbraucher eines) : mein taiwanesischer Brieffreund - zu diesem Zeitpunkt seit 5 Jahren - schrieb mir aus Belgien, dort war er zwecks Auslandstudium , und bat mich um einen kurzen Rückruf, Telefonnummer war beigefügt.
Abenteuerlustig wie ich nun mal bin, folgte ich klopfenden Herzens seiner Aufforderung. Wir telefonierten genau drei Minuten - so lange dauerte es, bis wir uns im Griff hatten (war ja das erste Mal in fünf Jahren, dass wir unsere Stimmen hörten) und ich ihm meine Telefonnummer übermittelte. Er rief zurück und das war das erste von unzähligen Telefonaten, die wir führten - auf seine Kosten.
Kurz darauf plante er ein längeres Wochenende in Wien, an dem wir einander das erste Mal angesichtig wurden, nach all den seitenlangen Briefen, die in fünf Jahren zwischen uns hin und her gingen.
Ich mach es kurz: es war umwerfend, Liebe auf den ersten Blick, romantic time....
Nach ein paar Wochen kam er wieder und wir verbrachten eine weitere Woche zusammen, die uns nur noch enger zusammen schweisste. Zwischendurch und danach: unzählige nächtliche Telefonate, die unsere räumliche Trennung erträglicher machten.
Er beendete sein Studium in Brüssel und zog nach Taiwan zurück - keine Telefonate mehr, aber wieder ellenlange Briefe, bis ich dann im Oktober für 10 Tage nach Taiwan flog, um ihn zu besuchen.
Ich mach es kurz - die Beziehung scheiterte danach an seinen Eltern, die sehr traditionell veranlagt waren, und nicht sonderlich begeistert davon, dass ihr ältester Sohn eine geschiedene Europäerin mit Kind anschleppte. Die Trennung war kurz und extrem schmerzlich.... und dann kam dieses Schreiben (siehe oben).
Was war passiert? Mein taiwanesischer Märchenprinz musste damals nach Beendigung des Studiums sofort zurück nach Taiwan, noch bevor die aktuelle Telefonrechnung ausgestellt wurde. Er lebte damals in einer Art Wohngemeinschaft zusammen mit einem Pärchen vom chinesischen Festland (der weibliche Part wollte unsere Romanze sogar als Roman heraus bringen - Literaturstudentin, sollte ich also belgische LeserInnen haben, die chinesische Literatur konsumieren: ich wäre sehr daran interessiert, falls es je zu einer Veröffentlichung kam.....), er überliess ihnen sein funkelnagelneues Auto als Pfand, damit sie die Telefonrechnung in seiner Abwesenheit begleichen konnten. Die allerdings verkauften das Auto und waren nie wieder gesehen.....
Die belgische Telefongesellschaft brauchte also ungefähr von August 1990 bis Dezember 1991, um irgendwie ihre Aussenstände zu sortieren, und wandte sich an die Wiener Telefongesellschaft, da ja lediglich meine Telefonnummer, der angerufenen Verbindungen, auf der Liste auftauchte.
Ich war schnell ermittelt und sollte nun mit diesen schlappen etas mehr als 129.000 Schilling in der Tasche antanzen.
Gott sei dank, war das Ding schnell aus der Welt geschafft, ich legte seine Visitenkarte, will heissen: die Visitenkarte seines Vaters (der damalige Innenminister von Taiwan) vor, es erfolgte ein Anruf und die Sache war vom Tisch.
Da hatte ich also über ein Jahr Zeit, um über diese unglückliche nicht zustande gekommene Beziehung hinweg zu kommen, bis die alten Wunden von zwei europäischen Behörden wieder aufgerissen wurden.
Was lernen wir daraus: wir verbeugen uns vor Viber und Skype und danken dem Gott des Internets, dass Telefonieren quer über alle Kontinente heute so unkompliziert und VOR ALLEM gratis ist und wir in Ruhe - ohne Triggergefahr - unsere Wunden lecken und heilen lassen können.
(und immer noch versuche ich mir die Summe von knapp 129.000 Schilling in bar vorzustellen....)
Ich kann mich noch daran erinnern, als wäre es vorgestern gewesen. Ich weiss noch, dass ich am selben Tag - bevor mich dieses Schreiben erreichte - eine neue Brille, auf die ich ewig gespart hatte, gekauft habe. Und als ich nach Hause kam, zog ich DAS aus dem Briefkasten... an einem nicht so kalten Januar-Tag im Jahre 1992, ich hatte meinen freien Tag.
Was kann man darauf sehen? Es ist von der Österreichischen Post.... es ist noch im alten Jahr getippt worden, die wichtigsten Teile handschriftlich eingefügt - wobei man bitte das Wort "Dringend" in rot geschrieben, beachten möge. Und das Allerwichtigste: mitzubringen wäre die läppische Summe von 129.135, 50 (die 50 Groschen sind gaaaanz wichtig) Schilling (umgerechnet: 18.447,93 DM... respektive 9.223,96 Euro... nur um es sich auf der Zunge zergehen zu lassen).
Meine erste Reaktion war: "Ach Du Sch.....", vielleicht war's auch: "What the f....?!"
Ganz so genau kann ich mich nicht mehr erinnern, ich weiss nur noch, dass ich gerne meine neue Brille zurück getragen hätte und meine alte aus dem Müll holen wollte... was jetzt in Anbetracht der auf dem Papier stehenden Summe, das Kraut nicht wirklich fett gemacht hätte. Auch war ganz kurz - aber wirklich nur ganz kurz - der Gedanke an Prostitution in meinem Kopf..... Versklavung wäre auch eine Alternative gewesen.
Aber bevor man sein Leben gleich derart drastisch verändert, sollte man vielleicht doch erst einmal nachhaken, worum es denn überhaupt ging... wobe das kleine Wörtchen "Brüssel" mir die richtige Richtung schon wies.
Ich hatte einen Freund aus Taiwan (dramatische Filmmusik von John Barry setzt ein [Jenseits von Afrika]) ....
ein Brieffreund aus Teenagertagen, ich glaube, es war 1985 da erreichte mich sein erster Brief - vermittelt durch den IPF (International Pen Friends), wo ich damals Mitglied war. Es war Liebe auf den 3. Brief (so ungefähr) und bevor wir tatsächlich aufeinander trafen, sollte ich mich von meinem damaligen Freund trennen, meinen ersten Eheman treffen, heiraten, ein Kind in die Welt setzen und mich wieder scheiden lassen.... das Leben kommt und geht - der Brieffreund aus Taiwan blieb. Und je nach Lebensumstand, waren unsere Briefe freundschaftlich bis romantisch.
Plötzlich - kurz nach meiner Scheidung - erreichte mich ein Brief (die jüngeren Leser müssen jetzt einfach ihre Fantasie bemühen: ein Brief ist ein Blatt Papier, handbeschrieben [meist] und legt per Post eine Distanz von A nach B zurück - in diesem Fall: von Belgien nach Österreich, und wir bedenken jetzt: ES GAB NOCH KEINE MOBILTELEFONE... also zumindest besass kein Ottonormalverbraucher eines) : mein taiwanesischer Brieffreund - zu diesem Zeitpunkt seit 5 Jahren - schrieb mir aus Belgien, dort war er zwecks Auslandstudium , und bat mich um einen kurzen Rückruf, Telefonnummer war beigefügt.
Abenteuerlustig wie ich nun mal bin, folgte ich klopfenden Herzens seiner Aufforderung. Wir telefonierten genau drei Minuten - so lange dauerte es, bis wir uns im Griff hatten (war ja das erste Mal in fünf Jahren, dass wir unsere Stimmen hörten) und ich ihm meine Telefonnummer übermittelte. Er rief zurück und das war das erste von unzähligen Telefonaten, die wir führten - auf seine Kosten.
Kurz darauf plante er ein längeres Wochenende in Wien, an dem wir einander das erste Mal angesichtig wurden, nach all den seitenlangen Briefen, die in fünf Jahren zwischen uns hin und her gingen.
Ich mach es kurz: es war umwerfend, Liebe auf den ersten Blick, romantic time....
Nach ein paar Wochen kam er wieder und wir verbrachten eine weitere Woche zusammen, die uns nur noch enger zusammen schweisste. Zwischendurch und danach: unzählige nächtliche Telefonate, die unsere räumliche Trennung erträglicher machten.
Er beendete sein Studium in Brüssel und zog nach Taiwan zurück - keine Telefonate mehr, aber wieder ellenlange Briefe, bis ich dann im Oktober für 10 Tage nach Taiwan flog, um ihn zu besuchen.
Ich mach es kurz - die Beziehung scheiterte danach an seinen Eltern, die sehr traditionell veranlagt waren, und nicht sonderlich begeistert davon, dass ihr ältester Sohn eine geschiedene Europäerin mit Kind anschleppte. Die Trennung war kurz und extrem schmerzlich.... und dann kam dieses Schreiben (siehe oben).
Was war passiert? Mein taiwanesischer Märchenprinz musste damals nach Beendigung des Studiums sofort zurück nach Taiwan, noch bevor die aktuelle Telefonrechnung ausgestellt wurde. Er lebte damals in einer Art Wohngemeinschaft zusammen mit einem Pärchen vom chinesischen Festland (der weibliche Part wollte unsere Romanze sogar als Roman heraus bringen - Literaturstudentin, sollte ich also belgische LeserInnen haben, die chinesische Literatur konsumieren: ich wäre sehr daran interessiert, falls es je zu einer Veröffentlichung kam.....), er überliess ihnen sein funkelnagelneues Auto als Pfand, damit sie die Telefonrechnung in seiner Abwesenheit begleichen konnten. Die allerdings verkauften das Auto und waren nie wieder gesehen.....
Die belgische Telefongesellschaft brauchte also ungefähr von August 1990 bis Dezember 1991, um irgendwie ihre Aussenstände zu sortieren, und wandte sich an die Wiener Telefongesellschaft, da ja lediglich meine Telefonnummer, der angerufenen Verbindungen, auf der Liste auftauchte.
Ich war schnell ermittelt und sollte nun mit diesen schlappen etas mehr als 129.000 Schilling in der Tasche antanzen.
Gott sei dank, war das Ding schnell aus der Welt geschafft, ich legte seine Visitenkarte, will heissen: die Visitenkarte seines Vaters (der damalige Innenminister von Taiwan) vor, es erfolgte ein Anruf und die Sache war vom Tisch.
Da hatte ich also über ein Jahr Zeit, um über diese unglückliche nicht zustande gekommene Beziehung hinweg zu kommen, bis die alten Wunden von zwei europäischen Behörden wieder aufgerissen wurden.
Was lernen wir daraus: wir verbeugen uns vor Viber und Skype und danken dem Gott des Internets, dass Telefonieren quer über alle Kontinente heute so unkompliziert und VOR ALLEM gratis ist und wir in Ruhe - ohne Triggergefahr - unsere Wunden lecken und heilen lassen können.
(und immer noch versuche ich mir die Summe von knapp 129.000 Schilling in bar vorzustellen....)
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